Gutachten: Vorschläge der Regierungskommission zur Krankenhausreform nicht verfassungsgemäß

Bayern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein fordern Wahrung der Krankenhausplanungskompetenzen der Länder

20. April 2023
phb Bericht Beschluss Statement Papier Stellungnahme

Die Gesundheitsminister der Länder Bayern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein haben am Donnerstag in Berlin ein Rechtsgutachten vorgestellt, mit dem die Vorschläge der Regierungskommission für eine Reform der Krankenhausvergütung der Bundesregierung auf ihre Verfassungsmäßigkeit geprüft worden sind.

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Die Gesundheitsminister der Länder Bayern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein haben am Donnerstag in Berlin ein Rechtsgutachten vorgestellt, mit dem die Vorschläge der Regierungskommission für eine Reform der Krankenhausvergütung der Bundesregierung auf ihre Verfassungsmäßigkeit geprüft worden sind. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek betonte bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem nordrhein-westfälischen Amtskollegen Karl-Josef Laumann und der schleswig-holsteinischen Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken: „Das Gutachten zeigt, dass die Vorschläge der Regierungskommission nicht mit dem Grundgesetz in Einklang stehen. Sie missachten vor allem die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern sowie das Primat der Krankenhausplanung der Länder. Das bisherige Reformkonzept der Bundesregierung bedeutet also einen erheblichen Eingriff in die Planungshoheit der Länder und muss deshalb korrigiert werden. Die Länder brauchen auch künftig weitreichende Entscheidungskompetenzen bei der Krankenhausplanung! Wir können keine zentral von Berlin aus gesteuerte Reform mit einer bundesrechtlichen Einführung von detaillierten mit Strukturvorgaben hinterlegten Leveln und einer vorgegebenen starren Zuordnung von festen Leistungsgruppen zu einzelnen Leveln mitgehen.“

Das rund 140 Seiten umfassende Rechtsgutachten stammt von Prof. Dr. Ferdinand Wollenschläger, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Europarecht und Öffentliches Wirtschaftsrecht an der Universität Augsburg. Der Professor erläuterte: „Für die Krankenhausplanung müssen den Ländern kraft Verfassungsrecht eigenständige und umfangmäßig erhebliche Gestaltungsspielräume sowohl legislativer als auch administrativer Art verbleiben. Jede bundesrechtliche Regelung zur Krankenhausfinanzierung und -versorgung findet dort ihre Grenze, wo der Bund strukturrelevante Regelungen trifft. Damit sind Regelungen des Bundes, die schwerpunktmäßig die Versorgungsstrukturen der Krankenhäuser steuern oder die Planungsspielräume der Länder für die Krankenhausversorgung übermäßig beschneiden, unzulässig. Das bedeutet: Eine Umsetzung der Vorschläge der Regierungskommission durch den Bund ist in der gegenwärtigen Fassung mit der Kompetenzordnung des Grundgesetzes nicht vereinbar. Es bestehen aber Reformoptionen im Rahmen der Kompetenzordnung.“

Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Laumann unterstrich: „Das Gutachten zeigt auf, wo dem Bund bei seiner Reform Grenzen durch die Planungshoheit der Länder gesetzt sind. Insofern bin ich froh, dass Bundesminister Lauterbach zwischenzeitlich bereits angekündigt hat, keine 1:1-Umsetzung der Vorschläge der Regierungskommission anzustreben, sondern zusammen mit den Ländern einen gemeinsamen Gesetzesentwurf erarbeiten will.  Auf dieser Grundlage werden wir nun unsere Gespräche fortsetzen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass am Ende eine Reform steht, die gemeinsam mit unseren Plänen in Nordrhein-Westfalen für eine neue Krankenhausplanung vieles zum Wohle der Patientinnen und Patienten verbessern kann.“

Schleswig-Holsteins Gesundheitsministerin von der Decken ergänzte: „Eine Reform der Krankenhausfinanzierung ist wichtig – insbesondere um die notwendige Versorgung in der Fläche nachhaltig auf sichere Beine zu stellen. Die geplante Reform des Bundes würde nach derzeitigem Stand allerdings nicht nur die Krankenhausfinanzierung neu regeln, sondern auch Vorgaben zur Krankenhausplanung machen, die massiv in die Planungshoheit der Länder eingreifen. Insbesondere bei der Festlegung von Strukturvoraussetzungen wird die Kompetenz und Erfahrung der Länder benötigt, die ihre regionalen Besonderheiten kennen. Mindestkriterien, die von Bundesebene aus mit dem Gießkannenprinzip verabschiedet werden, bergen insbesondere in nicht elektiven Bereichen das Risiko einer Unterversorgung ländlicher Regionen.“

Die Regierungskommission der Bundesregierung schlägt vor, dass die Zahlung der neu eingeführten Vorhaltevergütung für Kliniken nur für Leistungen erfolgt, zu deren Erbringung das jeweilige Krankenhaus durch Zuweisung eines entsprechenden „Levels“ sowie der erforderlichen „Leistungsgruppe“ bestimmt ist. Zudem muss das Krankenhaus die mit Level und Leistungsgruppe jeweils verbundenen Mindestvoraussetzungen erfüllen.

Holetschek unterstrich: „Wir alle sind uns einig, dass eine Krankenhausreform wichtig ist. Klar ist aber auch: Die angestrebte Reform muss mit dem geltenden Verfassungsrecht in Einklang stehen. Wir wollen die bestmögliche und flächendeckende medizinische Versorgung der Menschen in unseren Ländern und dafür ziehen wir auch an einem Strang. Dafür braucht es einen offenen Dialog auf Augenhöhe und gemeinsame Lösungen.“

So sind die Bundesländer Bayern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein bereit, ihre künftige Krankenhausplanung grundsätzlich an sogenannten Leistungsgruppen auszurichten. Holetschek unterstrich: „Leistungsgruppen, auch nach der Systematik von Nordrhein-Westfalen, sind aus unserer Sicht ein guter Weg. Die Strukturanforderungen für die Gruppen sollten dabei aber zwischen Bund und Ländern abgestimmt werden. Klar muss auch sein, dass die Letztverantwortung und die Entscheidung darüber, welchem Krankenhaus welche Leistungsgruppen zugewiesen werden, bei den Ländern liegt.“

Laumann ergänzte: „Wir sehen das Gutachten auch als Bestätigung für uns mit der Umsetzung unserer Krankenhausplanung in Nordrhein-Westfalen fortzufahren. Die dabei gewonnenen Erfahrungen werden wir in den weiteren Prozess mit dem Bund und den anderen Ländern für alle gewinnbringend einbringen.“

Von der Decken betonte: „Wir wollen keinesfalls eine Reform verhindern, sondern – ganz im Gegenteil – einen Erfolg der Reform ermöglichen. Spätestens bei der gerichtlichen Überprüfung von krankenhausplanerischen Entscheidungen, die aufgrund der Reform ergehen, wird die Frage der Verfassungsmäßigkeit gestellt werden. Das Risiko einer Rückabwicklung der Reform können wir uns schlicht nicht leisten. Deshalb müssen wir jetzt dafür sorgen, eine verfassungskonforme und damit verlässliche gesetzliche Grundlage für die Zukunft der Krankenhausversorgung zu schaffen.“

Das Gutachten finden Sie hier.

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